Presse

Choreografie für Schiffe, Kräne und fünfhundert Sänger

Stuttgarter Zeitung, 17.06.2005

Projekt am Neckar: zu "Singing River" und dem ersten Stuttgarter Hafenfest werden morgen mehrere tausend Besucher erwartet

So etwas haben die Hafenarbeiter und Neckarschiffer mit Sicherheit noch nicht erlebt: eine Choreografie für Frachtkähne, an Kränen hängende Sänger - und mehrere tausend Menschen, die bereit sind, dafür Eintritt zu zahlen. Die Männer (im Hafen arbeiten überwiegend Männer) haben in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder Proben erlebt, mal nur mit der Technik, mal nur mit den Chören, einmal auch zusammen. Und ihr Staunen verwandelte sich in Neugierde und die Neugierde in Spaß an der Sache. Heute ist Generalprobe, morgen aber wird es dann ernst mit "Singing River", dem Konzert der etwas anderen Art, das zusammen mit dem gleichzeitig am Mittelkai gefeierten Fest zur größten Veranstaltung im Stuttgarter Hafen seit Jahrzehnten wird.

Alles hatte damit angefangen, dass sich Friedrich Schirmer für den Hafen interessierte. Er wollte diesen Ort, der vielen Stuttgartern unbekannt ist, erfahrbar und erlebbar machen. Er gab Johannes Zeller, einst einer der Macher der legendären Discothek Das unbekannte Tier und der Lokalität Rosenau im Stuttgarter Westen, den Auftrag, den Verantwortlichen des Festivals Theater der Welt diesen Hafen zugänglich zu machen.

Zeller organisierte Hafenrundfahrten, erst mit dem Auto, dann mit dem Feuerwehrboot. Dabei hatte Marie Zimmermann die Idee, den Regisseur Orlando Gough anzurufen und zu fragen, ob er sich den Stuttgarter Hafen als Spielort vorstellen könne. Er konnte. Und spätestens dann, als Solisten vom Chor der Staatsoper von einer ersten Probe im Hafen völlig begeistert zurückkamen, war klar: "Singing River" wird einer der Höhepunkte des Festivals werden.

Mehr als 500 Sängerinnen und Sänger von Chören aus Baden-Württemberg werden das Hafenbecken 1 im Bereich des Areals der Firma Scholpp und die angrenzenden Kais, Silos und Lagerhallen in eine große Open-Air-Bühne verwandeln. Sie und die Solisten des Londoner Chors The Shout, die schon bei der Festivaleröffnung am Eckensee in der Nacht zum Donnerstag zu hören waren, werden in jeder Lage singen: an Kränen hängend, auf Dächern sitzend, auf Lastkähnen langsam an den Zuschauern vorbeitreibend. Sie werden "von Heim- und Fernweh, Abschied, Exil und Ankunft" singen, Lieder von Friedrich Silcher bis Elvis Presley.

Das künstlerische Ereignis soll noch einen Nebeneffekt haben: den Stuttgarter Hafen als erlebbaren Teil der Stadt bekannter zu machen. Zumindest hoffen die Mitveranstalter, die Hafen Stuttgart GmbH und das Wasser- und Schifffahrtsamt, darauf. Die Hafengesellschaft hat bei der Planung und den Vorbereitungen vor allem den Türöffner gespielt. Sie stellte die Kontakte zu den am Hafen ansässigen Firmen her, stellte sicher, dass dort die Arbeit trotz des Konzerts weitergehen kann. "Die Vorbereitungen sind hervorragend gelaufen", sagt der Bevollmächtigte der Gesellschaft, Wolfgang Messerschmidt. "Wir kriegen das alles in Griff - obwohl eine Choreografie auf dem Wasser für die Schiffsführer absolutes Neuland war." Michael Brand vom Wasser- und Schifffahrtsamt spricht von einem "relativ großen Aufgebot", das sein Amt stellt: Als Bühne für die Chöre dienen mehrere Transportkähne, zwei große Schwimmkräne und verschiedene Aufsichtsboote. Gesteuert werden sie von den Schiffsführern des Amtes. Die Kunst dieser "Neckarkapitäne" dürfte morgen vornehmlich im Treibenlassen liegen, damit der Gesang nicht durch die Schiffsmotoren gestört wird.

Die drei Konzerte um 14, 17 und 20 Uhr - für alle gibt es noch Karten - sind aber nicht der einzige Grund, dem Hafen morgen einen Besuch abzustatten. Von 13 bis 21.30 Uhr wird ein großes Hafenfest gefeiert, mit vielen Informationsständen von Bootsbauern, Wassersportvereinen und Firmen, die Wassersportzubehör verkaufen. Europas größtes mobiles Aquarium wird ebenso zu bewundern sein wie das eine oder andere Modellboot des Power Boat Racing Teams Stuttgart. Im Containerterminal ist ebenso Tag der offenen Tür wie bei der Firma Scholpp, die unter anderem eine "Kranallee" zeigt.

Die Straße Am Mittelkai wird für das Hafenfest gesperrt. Der Zugang zum Fest ist kostenlos. Die Kassen und der Eingang zur Zuschauertribüne für "Singing River" sind auf dem Gelände der Firma Scholpp und mit einer an einem ausgefahrenen Kran hängenden Boje gekennzeichnet. Besuchern wird empfohlen, entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Stadtbahnlinie U 9) oder zum Beispiel mit dem Fahrrad zu kommen. Und noch ein Tipp, vor allem für die Zuschauer, die eine Stunde lang auf der Tribüne sitzen werden: Sonnencreme mit hohem Schutzfaktor und entsprechende Kopfbedeckung nicht vergessen! Es soll heiß werden, und auf der Tribüne gibt es keinen Schatten.

iVon Jürgen Brand/i

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